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T. E. Lawrence — bekannter als Lawrence von Arabien — hatte viele Gesichter: Archäologe, Altphilologe, Übersetzer, Soldat, Aufständischer, Agent, Diplomat, Held. Er war aber auch durch und durch Engländer und ein fesselnder Reiseautor.
Die historische Figur Lawrence hat Phasen der Heldenbildung und -dekonstruktion durchlaufen. Sicher ist, dass er den modernen Mittleren Osten auf eine Art geprägt hat, die heute immernoch spürbare Konsequenzen nach sich zieht — möglicherweise wie niemand vor oder nach ihm. Er war buchstäblich ein Kämpfer für die arabische Unabhängigkeit, und doch durch seine Verpflichtungen als britischer Offizier gebunden. Er strebte nach dem Heldenstatus und erreichte ihn, und doch wies er öffentliche Ehrerbietung zurück. Er etablierte Sprengstoffangriffe als Mittel des Kampfes im Mittleren Osten, und war doch tief berührt von den Konsequenzen, die dies mit sich brachte. Bei all dem war Lawrence ein Abenteurer par excellence und — so seltsam das klingen mag — ein talentierter Reiseautor.
Thomas Edward Lawrence
Lawrence von Arabien
Geboren: 16. August 1888, Tremadog, Caernarvonshire, Wales
Gestorben: 19. Mai 1935, Bovington Camp, Dorset, England
Britischer Kriegsheld, Reisender, Autor, Diplomat, Gelehrter, Übersetzer. Sein bekanntestes Werk ist Die sieben Säulen der Weisheit, eine autobiographische Schrift über die arabische Revolte (Im Englischen in der Public Domain, zu finden hier; in der deutschen Übersetzung z.B. bei Amazon erhältlich).
Lawrence ist sicherlich ein umstrittener Charakter und war das Sujet zahlreicher Biographien. Ich kann Michael Kordas Hero: The Life and Legend of Lawrence of Arabia empfehlen.
Lawrence wurde mit dem epischen David Lean Film Lawrence of Arabia von 1962 ein Denkmal gesetzt. Das Epos gewann 7 Oscars, darunter Bester Film und Beste Regie.
Die sieben Säulen der Weisheit
Wenn Du Dich für den Mittleren Osten interessierst, ist Die sieben Säulen der Weisheit unverzichtbares Lesematerial — egal, wie Du zur Person T. E. Lawrence stehst. Das Buch ist eine autobiographische Chronik der arabischen Revolte aus der persönlichen Sicht des Autors — der maßgeblich daran beteiligt war. Bis zum Rand befüllt mit überlebensgroßen Charakteren und großartigen Landschaftsbeschreibungen, liest sich das Buch eher wie ein Wüsten- und Abenteuerroman als wie ein Kriegsjournal. Und hier nun die Gründe, warum es die Zeit wert ist, es zu lesen.
Die Beschreibung der Wüste
Lawrence malt ein sprachlich lebendiges und detailreiches Bild der arabischen Wüste — und der Entbehrungen, die eine Reise durch diese unwirtliche Landschaft einfordert (auf Englisch):
“While he spoke we scoured along the dazzling plain, now nearly bare of trees, and turning slowly softer under foot. At first it had been grey shingle, packed like gravel. Then the sand increased and the stones grew rarer, till we could distinguish the colours of the separate flakes, porphyry, green schist, basalt. At last it was nearly pure white sand, under which lay a harder stratum. Such going was like a pile-carpet for our camels’ running. The particles of sand were clean and polished, and caught the blaze of sun like little diamonds in a reflection so fierce, that after a while I could not endure it.” (aus Seven Pillars of Wisdom, Kapitel XI).
Die Wüste ist unnachgiebig und harsch. In Verbindung mit dem Druck, türkischen Patrouillen und feindlich gesinnten Wüstenstämmen zu entgehen, mit wenig Nahrung und Wasser, auf dem Rücken von Kamelen, lässt sich die Ausdauer und Leidensfähigkeit, die notwendig ist, um eine Durchquerung durchzustehen, erahnen.
Die Charaktere
In Kapitel X entfaltet sich eine Szene, die wenig später humoristisch aufgelöst wird. Lawrence und seine Begleiter begegnen an einer Wasserstelle in der Wüste, an der bereits Mitglieder des lokalen Stammes ihre Kamele tränken, zwei weiteren Reisenden. Sie halten die beiden für einen wohlhabenden Wüstenprinz und seinen Diener, und die Charade nimmt ihren Lauf… bis am Ende Lawrence Guide ihn aufklärt (auf Englisch):
“My Lord, you saw those two riders at the well?”
“The Sherif and his servant?”
“Yes; but they were Sherif Ali ibn el Hussein of Modhig, and his cousin, Sherif Mohsin, lords of the Harith, who are blood enemies of the Masruh. They feared they would be delayed or driven off the water if the Arabs knew them. So they pretended to be master and servant from Mecca. Did you see how Mohsin raged when Ali beat him? Ali is a devil. …” (aus Seven Pillars of Wisdom, Kapitel X).
Das Abenteuer
Der Gegenstand von Die sieben Säulen der Weisheit ist natürlich keine normale Reisebeschreibung. Vielmehr ist es ein Kriegsbericht aus einer der härtesten und desolatesten Gegenden dieses Planeten– größtenteils faktische, manchmal vielleicht auch ein wenig fiktional (darüber bilde sich der Leser sein eigenes Urteil). Wenn Du mit der Gewalt, dem Tod und der Zerstörung, die das mit sich bringt, zurechtkommst, ist es eine Geschichte, die ein großes Abenteuer beinhaltet. Das Abenteuer liegt allerdings nicht in der Beschreibung von Sabotage, von Schlachten oder strategischen Manövern, sondern in Lawrences Beschreibung der Wüste, der Orte, die dort zu finden sind und nicht zuletzt ihrer Bewohner.
Das Abenteuer ist dabei nicht nur rein physisch. Die psychologischen Komponenten sind omnipräsent. Besonders interessant ist hierbei Lawrences eigener innerer Konflikt — seine Zeit in der Wüste scheint ihn tief geprägt und (teilweise schreckliche) Spuren hinterlassen zu haben. Lawrence war ein zerrissener Mann — etwa widergespiegelt im Konflikt zwischen seiner Loyalität zu England und seiner Liebe für die Sache der Araber. Dies gibt dem Buch eine tragische Note; der Verrat, der am Ende des Freiheitskampfes stand, lauert über weite Teile der Geschichte am Horizont wie ein drohendes Unwetter.
Die Einblicke
Und natürlich bekommt man auch einen Einblick in die Persönlichkeit des Autoren, vielleicht eines der letzten Exemplare des viktorianischen Helden — komplex, voller Konflikte, getrieben und faszinierend.
Lawrence von Arabien, die Legende
Lawrence schrieb einmal in einem Brief an den Autoren Edward Garnett, dass er von der Nachwelt lieber als Mann des Wortes denn als Mann der Tat wahrgenommen werden will (“In the distant future, if the distant future deigns to consider my insignificance, I shall be appraised rather as a man of letters than a man of action.“). Doch er war sich beides. Und sicher hat er, ob nun bewußt oder unbewußt, großen Anteil an seiner eigenen, faktischen Legendenbildung — die ihm später so zuwider war und die er dennoch betrieb.
Sein größtes Werk ist, wie gerade erwähnt, Die sieben Säulen der Weisheit, seine persönlichen Memoiren der Wüstenkampagne. Das Buch wurde 1922 veröffentlicht, nachdem es dreimal neu niedergelegt werden musste, unter anderem, weil Lawrence eines der Manuskripte im Zug liegen ließ. Und es liest sich tatsächlich eher wie ein Roman als wie ein trockener Bericht oder ein Kriegstagebuch. Das heisst nicht, dass es nicht ohne Schwächen ist: Der Schreibstil erscheint manchmal etwas pompös und überfordert von Lawrences Ansprüchen ein großer Autor sein zu wollen. Dennoch, ist Die sieben Säulen der Wahrheit ein Buch, dass es verdient hat, gelesen zu werden.
Die Biographie
Lawrence ist eine umstrittene und komplexe historische Figur. Seine persönlichen Motive, sein eiserner Wille, seine offensichtliche Fähigkeit, Schmerz zu ertragen und vielleicht sogar zu suchen, seine dramatische Ader, sein Streben nach Heldentum und seine reflexive Zurückweisung desselben, als er den Heldenstatus erlangt hat, laden zu vielfältigen Interpretationen ein.
Natürlich ist Lawrence — nicht zuletzt durch das Filmepos — vor allem durch seine Kriegsvergangeheit bekannt. Sein späteres Leben entbehrt dennoch nicht der Faszination. Er nahm keine der Ehrungen, die ihm zuteil wurden, an. Er beurteilte seine Handlungen und die seiner Vorgesetzten als Verrat an der Sache der Araber. Dies, und seine Kriegserfahrungen, ließen ihn als tief gespaltenen Mann zurück. Nach dem Krieg diente er kurz unter Winston Churchill im Foreign Office. Seine tiefgehende Abneigung gegenüber jedweder Bürokratie machten diese Tätigkeit jedoch nur zu einem Intermezzo.
Von 1922 bis kurz vor seinem Tod diente Lawrence unter dem Pseudonym J. H. Ross als Mannschaftsdienstgrad in der Royal Air Force. Seine Erlebnisse während dieser Zeit schilderte er in einem zweiten Buch, The Mint (deutsch: Unter dem Prägestock). Daneben war Lawrence ein umtriebiger Briefeschreiber, was einen weiteren kleinen Einblick in Lawrence, den Mann, gewährt.
Die Briefe
Heute ist die Kunst des Briefeschreibers fast vollständig durch digitale Kommunikation ersetzt worden. Im 19ten und 20sten Jahrhundert waren Briefe allerdings die essentielle Form der Kommunikation — mit einem eigenen Kurzstil.
Im Gegensatz zu späteren Schriftstücken (Bücher und Korrespondenz), sind die frühen Briefe auch noch nicht überladen mit der Last seines späteren Ruhms. Stattdessen finden sich darin die Reiseerfahrungen des selbstbewußten, jungen T. E. Lawrence.
Spätere Briefe, zum Teil während seiner Zeit im Dienst der Royal Air Force in Indien verfaßt, zeigen einen erwachseneren Lawrence. Auch sind die Partner der Briefwechsel weitaus illustrer, unter anderem Charlotte und ihr Mann, der bekannte Autor Bernhard Shaw.
Und obwohl die Briefe im Gros keine klassische Reiseliteratur sind, erlauben sie, wie bereits erwähnt, einen Einblick in die Persönlichkeit des Mannes T. E. Lawrence. Einige dieser Briefe finden sich hier.
Lawrences Tod
Seine Gebeine haben in der St. Paul’s Cathedral in London ihre letzte Ruhe gefunden.
In Churchills Worten (auf Englisch): “The world looks with some awe upon a man who appears unconcernedly indifferent to home, money, comfort, rank, or even power and fame. The world feels not without a certain apprehension, that here is some one outside its jurisdiction; some one before whom its allurements may be spread in vain; some one strangely enfranchised, untamed, untrammelled by convention, moving independently of the ordinary currents of human action.”
Das nächste Mal: Gertrude Bell — The Original Female Solo Traveller
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